Es wird bei dieser Tätigkeit an der frischen Luft, meist ohne eindeutiges Ziel, scheinbar kein erkennbarer Zweck verfolgt. Ist dieses Flanieren und Müßiggehen, Ambulieren nur Selbstzweck? Es ist nicht wirklich geeignet für sportliche Wanderer, ungeeignet für Gipfelstürmer. Gehe ich nur spazieren um spazieren zu gehen? Mir fällt dabei ein rätselhafter Begriff ein: Zeitvertreib. Das passiert aber nicht, auch hier wird die Zeit nicht vertrieben – sie ist ja noch reichlich vorhanden. Spazierengehen ist Bewegung, ist pures Wandeln, Wandlung und permanenter Perspektive-Wechsel in der Zeit. Schreiten, Gehen und Wandeln haben ein Metrum. Sie folgen gelegentlich einem Takt. Verschiedene Spazierengeher*innen haben verschiedene Metren, unterschiedliche Taktungen oder sie proben den Gleichtakt, uni sono und zeitgleich. Auf jeden Fall – wenn nicht Selbstzweck - wird die Zeit "genutzt" um zu spazieren.

Unsere Spaziergänge fanden 2018 statt. Ziel war es, Orte mit (romantischen) Naturbühnen zu entdecken. Und wir haben dort gemeinsam gespielt: an den Fisch-Teichen fürs Technische mit dem Bildhauer Christian Bilger, am Pflaumenweg für Erlebnisprotokolle im gefalteten Papier mit der Malerin Daniela Köster und Isabel Fehrenbach, auf der geteerte Feldstraße zum wilden Skizzieren der wilden Haufen am Wegesrand mit der Künstlerin Anna Myga Kasten. Mit dem Ensemble Fortuna Canta und mit Murte Liebenberg und Stefanie Schmoeckel spazierten wir zur größten Eiche bei Karin Lütjens. Mit dem Kollektiv R&ST, Brigitte Raabe und Michael Stephan streiften wir durchs Dorf um die Ruinen und zukünftigen Denkmale zu entdecken.

Spazierengehen ist unsere Kunstform in Gemeinschaft. In diesem Bewusstsein wird zweifellos anders spaziert, als wenn man sich nur ergehen will. Die Natur scheint so selbstverständlich! Aber alles wird Kunstwerk beim Spazierengehen. Die Bewegung, die neue Wahrnehmung, das Licht, die Schatten, der kühle Wind – und auf dem Rückweg ist schließlich alles anders. Ein Spaziergang kann ein Werk sein wie eine Tanzperformance im Museum.

 

Weitere Bilder unter: https://www.kunstraum-tosterglope.de/ambulanz-26/

 

Text: Johannes Kimstedt

Foto: Inge Luttermann  

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