30 Jahre KulturFabrik Löseke in Hildesheim

30 Jahre KulturFabrik Löseke in Hildesheim

Die Kulturfabrik feiert mit vielen tollen Gästen und ebensolchen Reden.

Lesen Sie hier die Reden von Hanne Bangert, Geschäftsführerin des Landesverbands Soziokultur Niedersachsen:

 

Cui Bono oder Mit Ur-Soziokultur in die Stadt der Zukunft

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freund*innen der Kulturfabrik, sehr geehrte Frau Löseke, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Meyer, sehr geehrter Herr Landrat Lynack und natürlich liebe Kolleg*innen der Kulturfabrik und lieber Stefan!

Immer wenn so ein Jubiläum ansteht und immer wenn ich gefragt werde, ob ich ein Grußwort spreche, stelle ich mir als zunächst zwei Fragen: die erste ist: seit wann sind die eigentlich Mitglied beim Landesverband? Das kann ich in diesem Fall tatsächlich nicht beantworten, das einzige Dokument, was ich finden konnte, war eine Einzugsermächtigung von 2000 – offenbar war das der Startpunkt des Vertrauens in den Landesverband. Stefan, weißt Du es??

Die zweite Frage, die ich mir immer stelle, ist: Cui Bono – wem nützt die Einrichtung, wer profitiert von der Arbeit der Ehren- und Hauptamtlichen, welchen Benefit hat die Kommune, die – im besten Fall – die Einrichtung fördert? Und inwieweit profitieren die Kulturschaffenden?

Die Stadt Hildesheim hat einen Ruf als Heimat der berühmten Hildesheimer Rose und als Universitätsstadt. Tradition und Moderne treffen aufeinander, die Freie Kultur wetteifert mit historischen Bauten und alteingesessenen städtischen Einrichtungen um Aufmerksamkeit und natürlich auch um Pfründe.

Hildesheim macht auf Tourist*innen und Besucher*innen einen freundlichen und aufgeräumten Eindruck. Die Michaelis Kirche und der Dom sind weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt und die Universität wird nicht nur von niedersächsischen Studierenden geschätzt.

Der eher kleinstädtische Eindruck täuscht. Die vielen Studierenden, Einrichtungen wie die Kulturfabrik mit dem Faserwerk – das ist ein Pfund für diese Stadt, das im Stadtbild ruhig noch etwas sichtbarer werden kann. Das kreative Potential der Kulturschaffenden, die innovativen Projekte der Studierenden – das kann und sollte eine Stadt nutzen.

Die Kulturfabrik Löseke, ein soziokulturelles Zentrum in der Nordstadt, wurde 1992 gegründet. Sechs Jahre lang kam das Geld für Umbauten und Projekte vom Land Niedersachsen, vom Arbeitsamt und vom großzügigen Spender Löseke, der von Beginn an die Begeisterung der Kulturschaffenden für das Zentrum teilte. Arwed Löseke wurde zu einem Begleiter und Förderer, der nicht nur mit Geld, sondern vor allem auch mit seiner Expertise als Geschäftsmann und Kulturfreund hinter dem soziokulturellen Projekt stand. Seine Tochter Ariane Löseke führt als Geschäftsführerin der Arwed Löseke Papierverarbeitung und Druckerei GmbH diese Tradition weiter – der Familie Löseke gebührt dafür ein großer Dank!

Handwerker*innen, Punker*innen, Kulturwissenschaftler*innen – alle machten mit bei dem basisdemokratischen Vorhaben. Teilhabe und Mitbestimmung prägten das Haus und die Veranstaltungen. „Ur-soziokulturelle Haltung“ nennt das Stefan Könnecke.

In den 90er Jahren wurden in den Projekte der Kulturfabrik die Geschichten von Menschen erzählt, die geprägt waren von der deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Schon damals wurde dies verknüpft mit der Stadtentwicklung in die Nordstadt hinein und mit Alltagskultur. Wovon träumen Menschen? Was bedeutet Kultur im weitetesten Sinne für sie? Von Beginn an kooperierte die Kufa dabei mit möglichst vielen anderen: Kirchen, Gewerkschaften, Universität etc.  

Und schließlich hat das auch die Stadt überzeugt: nach sechs Jahren flossen das erste Mal städtische Gelder in das Haus und damit eine institutionelle Unterstützung, die es bis heute gibt.

Gearbeitet wird bis heute mit dem, was da ist, das heißt mit schmalem Budget und viel Kreativität; die Arbeit der Hausmeister*innen ist ebenso viel wert und geschätzt wie die der Programmmacher*innen. Infrastruktur war und ist genauso wichtig wie die Inhalte.

Und nach wie vor liegen die Stärken der Kufa in der Netzwerkarbeit: So haben „Kultur und Heimat“ und das „IQ Hildesheim“ ihre Wurzeln in der Kulturfabrik.

„Improvisiertes Wachstum“ so nennt Stefan Könnecke die Arbeit der Kufa. Das Faserwerk ist ein Teil dieses Wachstums. Von hier gehen Impulse in die Stadtteile und die Stadtgesellschaft.

Ich möchte Ihnen hier nur einen Ausschnitt nennen der Projekte, die von der Kulturfabrik durchgeführt worden sind und die mit Mitteln des Landes über den Landesverband gefördert wurden.

2015 Stadt-LABOR“ (P)

2016-40       „BABEL – Phase I“ (P)

2016-67       „BABEL im Park“ (FSP)

2017-42       „Beautiful people“ (FSP)

2017-60       „BABEL im Park“ (FSP)

2018-25       „LeFashionFactory“ (P)

2019-48       „Aussicht: Ottoplatz“ (P)

2020-32       “Faser-Werk-Stadt” (P)

2021-47       “Spotlight: [Hildesheim]” (P)

2022-34       “Nordstadt – Traumstadt? Phase I – Reallabor” (P)

 

Sie können schon an den Titeln hören, worum es hier geht – es geht um konkrete Gestaltung der Stadt, auf Plätzen mit direkter Beteiligung von Bürger*innen und Künstler*innen. Klassische Soziokultur eben.

Das eben erwähnte improvisierte Wachstum soll jetzt einen neuen Schub bekommen, wenn es nach den kulturellen Akteur*innen von Hildesheim geht. Nach dem Vorbild der Stadt Wien könnte der Kulturetat der Stadt um 10 Prozent erhöht werden. Diese 10 Prozent sollten den Kulturschaffenden zugutekommen. Das heißt, nicht mehr Produktionen, sondern faire Arbeitsbedingungen für die

Dass die Kulturfabrik von einer Erhöhung der institutionellen Förderung sofort profitieren könnte und dieses Geld mit einer gewohnten professionellen Flexibilität einsetzen würde, muss nicht erklärt werden. Was aber würde dieser finanzielle Schub für die Stadt Hildesheim bedeuten? Was wäre der Profit der Stadt?

Die Kulturfabrik ist Teil städtischer Projekte, die Netzwerke, die aus der Kufa entstehen, bereichern mit ihrer Arbeit die Stadt und verbinden Bürger*innen, Kulturschaffende und Verwaltung in kreativen Prozessen. Es sind neue Kulturorte mitten in der Stadt entstanden, die Nordstadt wird belebt durch das Faserwerk.

Soziokultur greift im besten Fall gestaltend in die Stadtentwicklung ein, wirkt in die Stadtgesellschaft, macht Bürger*innenbeteiligung möglich und spannend. Hier in Hildesheim haben Sie als Bürger*innen und als Akteur*innen der Verwaltung mit der Kulturfabrik den besten Fall erwischt – da entsteht mit kleinem Geld Großes für die Stadt. Nach 30 Jahren steht die Kufa jetzt vor Veränderungen. Der Generationenwechsel ist in vollem Gang und die Fördersituation muss neu gedacht werden.

Gleichzeitig stehen wir gesellschaftlich vor Herausforderungen, auf die wir alle nicht gut vorbereitet sind. Ob Bürger*innen, Kommunen oder die Kulturszene, wir alle sind verunsichert und ja, viele haben auch Angst vor den nächsten Monaten und Jahren.

Die Zusammenarbeit in dieser Kommune von Freier Kultur und Stadtverwaltung und -gesellschaft ist eine große Chance, im Kleinen etwas Großes zu leisten, nämlich den Zusammenhalt und die Kommunikation in Hildesheim zu stärken.

Wenn es gelingt, das kreative Potential und Engagement in Hildesheim zu halten und zu fördern, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die kulturelle Entwicklung und den sozialen Frieden in der Stadt. Dass wir das so nötig wie noch nie brauchen, muss ich Ihnen allen nicht sagen.

Stefan Könnecke hat mit gesagt, dass Sie alle schon dabei sind: ein Zukunftsvertrag ist die Vision, eine Verständigung über Kriterien, Qualitätsstandards und Anforderungen – das kann nur miteinander gelingen.

Ich bin da zuversichtlich: in einer so lebendigen Stadt, die so viele begeisterte Akteur*innen hat und deren Verwaltung bereit ist, sich Neuem zu öffnen, wird es auch in schweren Zeiten Orte der Kultur geben.

Herzlichen Glückwunsch

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