Kulturförderpreis für das Cameo Kollektiv
Wir machen unsere Projekte mit der Magie der Soziokultur, sagte das Cameo-Kollektiv bei der Preisverleihung in der Michaeliskirche in Hildesheim. Dort haben die Mitglieder es Kollektivs den mit 5.000 Euro dotierten Kulturförderpreis entgegengenommen. Den Kulturpreis gewann das interdisziplinäre "Ensemble Megaphon“ aus Hannover. „Kunst, wie sie die Preisträger kreieren, könnte, gerade auch in schwierigen Zeiten und einer sich verändernden Welt, helfen, das Leben zu bestehen", sagte Landesbischof Ralf Meister.
Die Begegnung von Menschen verschiedenster Herkunft, Altersstufen, Religion und sexueller Orientierung liegt auch dem Cameo Kollektiv am Herzen. „Wir wollen marginalisierte Gruppen sichtbar machen, ihnen eine Stimme in der Gesellschaft geben, sodass sie sich in gesellschaftliche Veränderungsprozesse einbringen können“, sagt Julius Matuschik, der gemeinsam mit Sebastian Cunitz das künstlerische Leitungsteam bildet.
Gemeinsam mit 70 Teilnehmern aus 25 Nationen sei so unter anderem ein 120-seitiges Magazin entstanden, in dem Migranten ihren Blick auf die Welt einbringen. Das jüngste Projekt des Kollektivs ist das „Büro für wertschätzende Kritik“, das am 1. Oktober in Hannovers Innenstadt öffnete. Ziel sei es, kurz vor der niedersächsischen Landtagswahl die Menschen in zehn verschiedenen Sprachen, von Farsi über Ukrainisch bis zur „leichten Sprache“, zum Austausch einzuladen.
Hier geht es zur Website des Cameo Kollektivs aus Hannover.
Die Laudation hielt Hanne Bangert, Geschäftsführerin des Landesverbands Soziokultur Niedersachsen:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Landesbischof, sehr geehrte Frau Dr. Schönermark, liebe Kolleg*innen vom Ensemble Megaphon und natürlich liebe Kolleg*innen vom Cameo Kollektiv, lieber Sebastian, lieber Julius,
ich freue mich sehr, dass die Arbeit von Cameo durch diesen Preis gewürdigt wird. Im Frühjahr 2022, also erst vor einem knappen halben Jahr ist Cameo Mitglied geworden in unserem Verband, dem Landesverband Soziokultur Niedersachsen. Aber schon lange vorher wurde der Verein vom Landesverband mit Landesmitteln gefördert, auch 2022 kann Cameo ein soziokulturelles Projekt mit diesen Mitteln durchführen.
Soziokultur und Kunst, das ist eine fruchtbare Verbindung, derer sich Cameo bedient. Soziokultur verlangt nach einer partizipativen Beziehung, nach einer Zusammenarbeit von Künstler*innen und Laien. Durch diese Zusammenarbeit entsteht etwas Neues: ein Werk, eine Installation oder eine Situation, die geprägt ist von allen, die daran mitgearbeitet haben. Dieses Ergebnis eines soziokulturellen Projekts beleuchtet ein Thema, eine gesellschaftliche Situation und zwar nicht mit pädagogisierenden Methoden, sondern durch eine künstlerische Brille. Die Rolle der Künstler*innen ist dabei, den Laien Werkzeuge an die Hand zu geben und das zu vermitteln, was die Kunst am besten kann: die Realität zu brechen und sie damit verständlicher oder befragbarer zu machen.
Unsere aktuelle Realität ist unsicher: wirtschaftlich, politisch, kulturell und spirituell. Unsere Reaktionen darauf sind oft hilflos, geprägt von Angst oder Unsicherheit.
Das Cameo Kollektiv reagiert mit Zusammenschluss statt Vereinzelung, mit partizipativen Projekten statt mit Belehrung, mit Kunst statt mit Regelungen und mit liebevollem Chaos statt mit Bürokratie.
In dieser Gemengelage aus Gemeinschaft, Teilhabe und dem Willen, das Anderssein anzunehmen statt es zu fürchten, arbeitet das Cameo Kollektiv mit soziokulturellen Methoden.
Es schafft dabei Raum für Betrachtungen der Welt, ihrer Bewohner*innen und der Dinge, die uns umgeben. So wurde 2021 beim Projekt „Platz des Zusammensitzens“ ein Hocker Gegenstand künstlerischer Arbeit, das Sitzen wurde von allen Seiten beleuchtet.
In einem ehemaligen Verwaltungsgebäude reihten sich Räume voller Stühle, Hocker, Sitzgelegenheiten aneinander, jeder Raum eine eigene Welt, künstlerisch und handwerklich gestaltet und gebaut von unterschiedlichen Menschen, manche bedrückend, manche humorvoll und manche verängstigend.
Cameo lässt uns immer wieder teilhaben an den diesen künstlerischen Prozessen, an der Arbeit mit Menschen, die aus der ganzen Welt und aus vielen verschiedenen, oft marginalisierten Gruppen stammen.
Und immer wieder stoßen wir bei der Betrachtung der entstandenen Werke auf Individuen, deren Geschichte mit einem Foto, einer Installation, einem Gegenstand eindringlich erzählt wird, ohne in einen Erklärungsmodus zu verfallen. Der große Respekt, den das Cameo-Kollektiv allen Beteiligten entgegenbringt, ist in allen Aktionen deutlich zu spüren und das ist vielleicht die größte Stärke dieser Gruppe: eine Akzeptanz von Diversität, die fern von bloßer Toleranz ist.
Wir brauchen genau jetzt genau diese Art von entschlossener künstlerischer und gesellschaftspolitischer Arbeit, und es freut mich sehr, dass die Jury der evangelischen Landeskirche dies erkannt und gewürdigt hat.
Herzlichen Glückwunsch, liebe Kolleg*innen von Cameo!